Beachten oder ignorieren? : Untersuchungen zu Reaktionszeiten und EEG-Korrelaten des Negativ-Priming-Phänomens

Im Mittelpunkt der Arbeit steht ein in den letzten Jahren intensiv untersuchtes Phänomen der Leistungsbeeinträchtigung. Tipper (1985) fasste die zugehörige Beobachtung unter dem Begriff "negatives Priming" zusammen: Die Leistung einer Person verschlechtert sich, wenn bei einer sukzessiven Darbietung von Informationen, zuerst eine bestimmte Information ignoriert werden soll, und diese dann im nächsten Durchgang relevant für die Beantwortung einer experimentellen Aufgabe ist. Die Erklärungsmodelle zum negativen Priming basieren auf zwei unterschiedlichen Annahmen: Zum einen wird die Wirkung eines zentralen Inhibitionsmechanismus angenommen, zum anderen wird die Generierung einer Gedächtnisspur postuliert, die charakteristische Informationen über jeden präsentierten Stimulus enthält. Negatives Priming basiert in beiden Modellannahmen auf der Interferenz, der in aufeinander folgenden Darbietungen enthaltenen Information.

Mit der vorgelegten Arbeit sollte ein weiterer Beitrag zur bisherigen Befundlage geleistet werden, unter Einbeziehung einer neurophysiologischen Messmethode (EEG), die in der Lage ist, die Struktur der Stimulusverarbeitung detailliert darzustellen. Das Ziel der Arbeit war es, ein Untersuchungsparadigma zu etablieren, das neben einem NP-Effekt in den Reaktionszeiten auch eine elektrokortikale Komponente identifizieren kann, die den kognitiven Prozess des negativen Primings auf der zentral-nervösen Ebene anzeigt. Zu diesem Zweck wurde ein von Stadler et al. (2001) durchgeführter Versuch für eine EEG-Untersuchung modifiziert. Der Negativ-Priming-Effekt soll in diesem Paradigma auf einer vermuteten automatischen Aktivierung von Additions- und Abzählprozessen beruhen, die durch die Präsentation geeigneter Zahlenpaare ausgelöst wird. Entgegen den Ergebnissen der Originalarbeit ließ sich jedoch kein NP-Effekt nachweisen. Als wahrscheinliche Gründe wurden die mangelnde Verarbeitungstiefe der Aufgabe und die gegenüber der Originalstudie veränderten Zeitparameter der Darbietung identifiziert.

Ein weiterer Versuch, der auf einem von Yee et al. (2000) entwickelten Paradigma zur Verarbeitungstiefe bei der Selektion des Zielreizes in einem NP-Versuch basiert, zeigte den gewünschten NP-Effekt. Die Probanden hatten in diesem Experiment Zahlen hinsichtlich ihrer Teilbarkeit durch die Zahl drei zu beurteilen. Als Ergebnis des durchgeführten EEG-Versuchs konnte eine, mit gedächtnisbasierten kognitiven Prozessen assoziierte P300-Komponente als ein zentral-nervöser Indikator eines NP-Prozesses identifiziert werden. Die Komponente zeigte sich sensitiv für die durch die Aufgabe induzierten inhaltlichen Widersprüche zwischen Prime und Probe. Zur Analyse der EEG-Messstrecken wurde auch ein graphisches Verfahren verwendet, dass es ermöglichte, sowohl die Potenzialverläufe der einzelnen Darbietungen innerhalb einer Bedingung, als auch die Verläufe zwischen den Bedingungen, detailliert zu analysieren. Insgesamt unterstützen die Ergebnisse der Arbeit in erster Linie einen gedächtnis- bzw. wiederabrufbasierten Modellansatz des negativen Primings.

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