Psychoedukation bei Depressiven : Evaluation eines Psychoedukativen Zusatzmoduls bei stationär behandelten Patienten mit schwerer unipolarer Depression unter besonderer Berücksichtigung der Krankheitsbewältigung
Die große Resonanz auf unser Angebot psychoedukativer
Angehörigengruppen in der Fachstation für depressive Erkrankungen, zahlreiche
Studien, die die Wirksamkeit psychoedukativer Programme bei schizophrenen
Patienten belegten, sowie erste Erfahrungsberichte über psychoedukative
Programme für depressive Patienten führten Mitte der neunziger Jahre zu dem
Vorhaben, ein psychoedukatives Zusatzmodul für depressive Patienten zu
entwickeln und praxisbegleitend wissenschaftlich zu evaluieren.
Ziel des psychoedukativen Programms sollte sein, depressive Patienten im Umgang mit ihrer Erkrankung zu unterstützen, ihre Compliance bei der
medikamentösen Langzeitbehandlung zu verbessern, ihr Wissen über ihre
Erkrankung zu vergrößern und mehr Verständnis und Akzeptanz für die
erforderlichen Behandlungsschritte zu erreichen. Als längerfristiges Ziel wurde
angestrebt, durch die bewußte und überzeugte Mitwirkung der Patienten an ihrer
Therapie bessere Langzeitbehandlungserfolge zu erreichen.
Unabhängig vom Forschungsfeld Psychoedukation hatten sich zunächst in den USA, seit den
neunziger Jahren auch in Deutschland verschiedene Studien mit dem Zusammenhang
von Stress, Coping und Depression beschäftigt. Sie untersuchten die Fragestellung,
welche depressionsspezifischen Krankheitsbewältigungsmuster identifiziert
werden können und welchen mittel- und längerfristigen Einfluß diese auf den
Verlauf depressiver Erkrankungen ausüben.
Da ein Ziel psychoedukativer Programme die Verbesserung der Copingfähigkeiten der Patienten
ist, lag es nahe, die beiden Themenbereiche Psychoedukation und Krankheitsbewältigung
in ihrer Wechselwirkung zu betrachten und den Effekt psychoedukativer Programme
auch auf die Krankheitsbewältigungsmuster bei depressiven Patienten zu
untersuchen.
Die vorliegende Untersuchung möchte zur Klärung dieser Fragestellung beitragen. Die
Studie wurde unter natürlichen Behandlungsbedingungen in einer
Versorgungsklinik mit den damit verbundenen methodischen Einschränkungen und
dem gleichzeitigen Vorteil hoher Praxisnähe an stationär behandelten unipolar
depressiven Patienten durchgeführt.
Das von uns eingesetzte psychoedukative Programm wurde als ein eigenständiges Modul im
Rahmen eines integrierten Gesamtbehandlungskonzepts entwickelt. Hauptziel der
Untersuchung ist, die Wirkung dieses Programms auf die Krankheitsbewältigung,
auf das Krankheitswissen, auf die Compliance und auf den kurz- und
mittelfristigen Verlauf der Depression zu bestimmen. Nur mittelfristig werden
die Effekte des Psychoedukativen Programms auf die subjektiven Urteile zum
Krankheitsverlauf und zur Behandlung untersucht.
Da bei Studienbeginn nur wenige Untersuchungen im deutschen Sprachraum zur
Krankheitsbewältigung depressiver Patienten vorlagen, sollte im weiteren
untersucht werden, welche Unterschiede einzelne Subgruppen der Gesamtstichprobe
hinsichtlich der Krankheitsbewältigungswerte aufweisen, welche Auswirkungen
unterschiedliche Krankheitsbewältigungswerte bei Behandlungsbeginn auf den
Krankheitsverlauf haben und welche Prädiktoren des Behandlungsverlaufs bestimmt
werden können.
Im ersten Abschnitt des theoretischen Kapitels der Arbeit werden psychoedukative Verfahren
bei depressiven Patienten dargestellt, im zweiten Abschnitt wird der Stand der
Krankheitsbewältigungsforschung bei dieser Patientengruppe referiert. Im
Anschluß daran wird ein integrativer Ansatz beider Forschungsschwerpunkte
theoretisch hergeleitet und die Fragestellungen für die vorliegende
Untersuchung im Detail entwickelt.
Im methodischen Teil wird das psychoedukative Programm mit seinen Besonderheiten
dargestellt und das Studiendesign mit Meßinstrumenten, Hypothesen und
Patientenauswahl beschrieben. Es folgen die Darstellung der Ergebnisse und
deren Diskussion.